Hüpfer durchs Hunderterfeld

Freie Schule Christophine · Das Hunderterfeld

Ein Kind entdeckt das Rechnen

„Ich hab’s!“ ruft das Kind und strahlt mich an. In der Hand hält es einen kleinen Zettel, darauf zwei Zahlen, verbunden durch ein Pluszeichen. 25 + . . . . . . = 47. Es hat sich eine Aufgabe ausgedacht, die es selbst lösen will. Keine Vorgabe, kein Arbeitsblatt. Nur das Hunderterfeld, sein Finger und der eigene Verstand.

Ich beobachte das Kind. Es schaut auf das Hunderterfeld. Die 47 steht fest, die 25 ist gegeben. „Ich muss rausfinden, was fehlt!“ sagt es laut, als würde es sich selbst eine Anweisung geben.

Sorgfältig setzt es auf dem Papier fünf kleine Punkte nebeneinander – für die fünf Einer. Darunter zieht es zwei waagrechte Striche – für die beiden Zehner. Fast wie eine geheime Schrift, die nur die Eingeweihten lesen können.

Es setzt den Finger auf die 47 im Hunderterfeld. Fünf kleine Hüpfer nach links, zwei große nach oben. Der Finger landet auf 22. Das Kind hält inne. Schaut. „47 minus 25 ist 22.“ Ein Moment der Orientierung.

Ich frage: „Und das Plus?“ Es überlegt kurz, dann geht es den Weg zurück. Fünf Schritte nach rechts, zwei große Sprünge nach unten. Wieder ist es bei 47. Es strahlt. „Das ist ja das Gleiche!“ sagt es und sieht mich an. Kein Zufall. Keine Magie. Logik, die sich durch eigenes Tun erschließt.

Hier ist Mathematik keine abstrakte Übung. Kein bloßes Aneinanderreihen von Aufgaben. Sie ist eine Erfahrung. Mit dem eigenen Körper. Mit Bewegung. Mit Raum. Das Kind hat sich die Zahlen zu eigen gemacht. Es hat Regeln entdeckt, statt sie nur zu übernehmen. Es hat das Rechnen begriffen – im wahrsten Sinne des Wortes. Kein Arbeitsblatt der Welt könnte diesen Moment ersetzen. LO